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Umweltgewerkschaft zum 6.IPCC-Sachstands-Bericht:   (Download-Möglichkeit als 2-seitige PDF unten)

Pariser „Klimaziele“ krachend gescheitert! Kapitalistische Klimapolitik führt Menschheit in die Katastrophe!

Aktiver Massenwiderstand gegen globale Umweltkatastrophe dringender den je – Umwelt- und Arbeiterbewegung gemeinsam!

 

Ende März wurde der „Synthesebericht zum 6. Sachstandsbericht“ des Weltklimarats IPCC veröffentlicht. Die darin vorgenommene Zusammenfassung zehntausender1 Umweltforschungsarbeiten verbreitet eine sehr widersprüchliche Botschaft:

 

1. Nüchtern wird festgestellt, dass die Klimakrise wesentlich schneller voranschreitet als in früheren Prognosen angenommen. „Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide.“2

Extremwetterereignisse, also Hitzewellen, Megawaldbrände, Dürren und Starkregenfälle haben stark zugenommen und werden zukünftig noch stärker zunehmen. Hunderte Millionen Menschen werden schon in den nächsten Jahren unmittelbar betroffen sein, Millionen sind es schon heute.

Der Bericht untermauert, dass einige Zerstörungsprozesse inzwischen unumkehrbar geworden sind: zB das weltweite Abschmelzen der Gletscher und damit der Verlust einer der wichtigsten Trinkwasserreserven der Menschheit, oder das Auftauen der Permafrostböden und damit das Entweichen von gigantischen darin gebundenen Methangasmengen – was wiederum die Erderhitzung weiter beschleunigt.

 

2. Trotz seiner eindringlichen Mahnung verharmlost der Bericht zugleich die Situation, da er sich weitgehend auf die Klimafrage beschränkt. Viele Wechselwirkungen zu anderen Zerstörungsfaktoren werden ausblendet. Etwa zum sich wieder vergrößernden Ozonloch, zum Umkippen der Regenwälder, zum dramatischen Artensterben, zur Vermüllung, Vergiftung und radioaktiven Verseuchung der Biosphäre. Alle diese Faktoren verstärken sich gegenseitig. „Kipp-Punkte“ zu einer nicht mehr rückgängig zu machenden Zerstörung gibt es nicht nur im Klimasystem – ein in Millionen Jahren entstandenes Regenwald-System kann man z.B. nicht „wiederaufforsten“. Wir müssen vom Prozess einer globalen Umweltkatastrophe sprechen, die die Weiterexistenz der ganzen Menschheit in Frage stellt.

3. Der Bericht dokumentiert, dass alle Klima-Vereinbarungen wenig gebracht haben. Im Gegenteil, der Klimagas-Ausstoß ist seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 weiter gestiegen! Kein Wunder, denn laut OECD haben sich die weltweiten Subventionen fossiler Energieträger seit „Paris“ nocheinmal deutlich erhöht auf 650 Milliarden Dollar. „Damit übersteigt die Summe jene der Klimafinanzierung um ein Vielfaches“.3

Der Bericht kommt zu dem Schluss:

„Anhaltende Treibhausgasemissionen werden zu einer zunehmenden globalen Erwärmung führen, wobei 1,5 °C (...) in diesem oder im nächsten Jahrzehnt erreicht wird.“

Alle bisher zugesagten staatlichen Klimaziele „machen es wahrscheinlich, dass die Erwärmung im Laufe des 21. Jahrhunderts 1,5 °C überschreitet und erschweren die Begrenzung auf unter 2 °C.“4

 

4. Der IPCC-Bericht dokumentiert also nichts weniger als die Bankrotterklärung des Pariser Klimaabkommens mit seinem sogenannten „1,5-Grad-Ziel“. Und bestätigt somit die Einschätzung der Umweltgewerkschaft, die als eine der wenigen Organisationen dieses Pariser Abkommen von Anfang an grundsätzlich kritisiert hat:

„Der in Paris ausgehandelte Klimavertrag ist im Wesentlichen ein Betrug! Denn er wird die Entwicklung zu einer globalen Klimakatastrophe nicht bremsen - wie er vorgibt -, sondern beschleunigen! Und er verdeckt die Hauptursache der Klimakrise: die kapitalistische Konkurrenzwirtschaft.“ 5

 

5. Man könnte nach der durchaus dramatischen Beurteilung der Lage durch den neuen Weltklimarat-Bericht annehmen, dass die Wissenschaftler eine sofortige „Abschaffung“ des Kapitalismus mit seinem umweltzerstörenden Profitmaximierungs-Gesetz fordern würden. Weit gefehlt! Stattdessen wird weiter auf das gesetzt, was doch offensichtlich gescheitert ist: die „Aufforderung“ an Regierungen und Unternehmen, ihre „Klimaanstrengungen“ zu verdoppeln und zu verdreifachen, „grüne“ Technologien „noch viel stärker“ zu fördern und so das Ruder noch herumzureissen.

 

UN-Generalsekretär Guterres sagte bei der Vorstellung des Berichts allen Ernstes:

„Die Klima-Zeitbombe tickt. Aber der heutige IPCC-Bericht ist ein Leitfaden zur Entschärfung der Klima-Zeitbombe. Er ist ein Überlebensleitfaden für die Menschheit.“ 6

Im Ernst jetzt? Die Orientierung auf einen „grünen Kapitalismus“ soll der Überlebensleitfaden für die Menschheit sein? Ist das nicht viel mehr der Leitfaden für den sicheren Untergang der Menschheit in der Klima- und Umweltkatastrophe?

 

6. Um den offensichtlichen Bankrott des Pariser Klimaschutzabkommens zu vertuschen, flüchtet sich der Bericht in die neue Behauptung, dass die 1,5-Grad-Erwärmung nur „zeitweise“ überschritten werden könnte. Also dass die Temperatur dann nach einigen Jahrzehnten wieder zurückgehen würde unter 1,5 Grad – und das, obwohl der Bericht selbst schon von „irreversiblen“ Klimazerstörungen spricht!

Der deutsche Klimaforscher Oliver Geden kommentiert das so:

„Eines hätte in der Politik aber kaum jemand verstanden, sagt Oliver Geden: Dass das 1,5-Grad-Ziel eigentlich anders definiert ist als es oft kommuniziert wird. Gemeint sei nämlich eigentlich, dass man im 21.Jahrhundert wieder auf unter 1,5 Grad kommt – und zwar auch dann, wenn diese Grenze temporär überschritten worden ist.“ 7

 

Ach sooo, die Umweltbewegung hat das Pariser Abkommen nur ganz falsch verstanden?

Für wie blöd halten uns diese grünen Kapitalismusverteidiger eigentlich!

 

7. Wir sind uns sicher: Dieser Bericht wird die begonnene Strategiediskussion in der Klima- und Umweltbewegung weiter befeuern. Umweltkatastrophe, Hochrüstung und Weltkriegsgefahr bringen immer mehr Menschen gegen den Kapitalismus auf.

Die Kapitalismuskritik wird wachsen, der Antikommunismus wird an Wirkung verlieren.

Die Umweltgewerkschaft wird alles tun, um aus der Enttäuschung vieler umweltbewegter Menschen eine bewusste „Ent-Täuschung“ zu machen. Das heißt:

● den Betrug der offiziellen Klimapolitik der Regierungen und das Greenwashing der Konzerne aufdecken,

● für eine dauerhafte und überparteiliche Organisierung in der Umweltgewerkschaft überzeugen, und

● auf einen entschlossenen Kampf zur Überwindung des Kapitalismus im Schulterschluss mit der Arbeiterbewegung orientieren.

 

Bundesvorstand der Umweltgewerkschaft,

Berlin, 11. Juni 2023

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Quellen:

1 https://www.faz.net/-gq5-b64yjh : „Beteiligt waren insgesamt fast achthundert Autoren aus vierzig Ländern. Gesichtet wurden (...) mehr als 100.000 Publikationen und mehr als 300.000 Kommentare von Gutachtern.“

2 Synthesebericht, offizielle deutsche Übersetzung, S.4

3 WDR-online, 20.3.23

4 Synthesebericht, offizielle deutsche Übersetzung, S.2

5 Präsentation und Statement der Umweltgewerkschaft vom 19.12.2015: Das „Weltklima-Abkommen“ von Paris: „Historischer Meilenstein oder Betrugsmanöver?“

6 tageschau.de, 20.3.23

7 deutschlandfunknova, 25.3.23