Liebe Teilnehmer der Friedenskundgebung!
Geboren in den 70ern der DDR habe ich weder Krieg noch Nachkriegszeit kennengelernt und bin sehr dankbar dafür.
Erst lange nach 1990 erfuhr ich von familiären Einzelschicksalen, die denen von Millionen anderen gleichen und doch immer persönlich sind.
Nun werden wir täglich mit den Bildern des Grauens geflutet. Doch wie weit berühren sie uns wirklich?
Mit der heutigen Situation umzugehen fällt mir schwer.
Mir vorzustellen, in Stralsunds Straßen fallen Schüsse, Leichen, Menschen schreien, Kinder weinen, Fliegeralarm, Bombeneinschläge, Häuser brennen….nein! Ich kann es mir nicht vorstellen.
Aber, wie viele andere auch, denke ich darüber nach, wie es sein wird, nach dem Krieg zu leben. Und dieser Gedanke erschreckt mich nun zu tiefst. Denn dieses Hoffen auf ein Überleben fühlte sich plötzlich an, als würde ich dem Krieg Raum geben in meinem Leben, auf das er geschehe, unabwendbar ist und mich doch nicht trifft oder treffen wird.
Ich besann mich darauf, darüber nachzudenken, was Frieden für mich persönlich heißt und erkannte, dass der Begriff des Friedens sich je nach meinem Persönlichkeitsblickwinkel als Mensch, Mutter, Kind meiner Eltern, Frau, Polizeibeamter, Gewerkschafter, Künstler änderte . Doch nie gab es darin Raum für kriegerische Auseinandersetzungen. Und so denke ich, dass jeder Mensch seinen persönlichen Friedensbegriff hat und das ist bei der Summe an Menschen dieser Erde doch eine Fülle an Motiven, um Frieden zu halten.
Heute will ich hier als Umweltgewerkschafter sprechen.
Die Altlasten des 1. Und 2. Weltkrieges versuchen wir noch heute zu finden, zu bergen und zu entschärfen. Sie verseuchen das Grundwasser, die Meere und Böden.
Reinhard Öser, ein Unterwasserarchäologe, erfuhr bei seinen Recherchen zu seinem Buch: „Auf dem Grund des Meeres“, dass viele Wracks von Flugzeugen und Schiffen in Nord- und Ostsee eine gefährliche Fracht bergen. Granaten, Torpedos, chemische Kampfmittel. An der deutschen Küste wurden fast 1,6 Millionen Tonnen herkömmliche Munition versenkt. Giftstoffe, die die Alliierten nach dem 2. WK in Nord- und Ostsee verklappten, haben ein Kontingent von vermutlich rund 65.000 T.
In der Nord- und Ostsee gibt es heute noch nicht entdeckte Minensperren, lautlos treibend, an Ankern hängend, darauf wartend, ihr Werk zu verrichten. Und der Zahn der Zeit nagt an ihnen. Umhüllungen verrosten, die Giftstoffe treten aus und landen entweder über die Nahrungskette Fisch wieder auf unseren Tellern. Oder landen treibend am Strand und werden als vermeintlicher Bernstein eingesammelt. In Hand und Hosentasche verbrennen sie dann bei Reibung, Wärme oder Luftzufuhr.
Aus den Fahrrinnen wurde größtenteils der Kriegsschrott geborgen und entfernt, doch Schifffahrt, Fischer und Umwelt sind in gleichbleibend realer Gefahr. Es gibt nach dem Krieg noch immer Tote, Verletzte, an Eigentum Geschädigte. Bis Januar 2016 sind mindestens 418 Todesfälle und 720 Verletzte bekannt geworden.
Gleichwohl sieht es auf dem Lande aus, weltweit. Blindgänger, noch aktive Zünder in Sprengfallen, Tretminen, Splitterbomber, über große Flächen ausgebracht. Generationen später noch erfahren die Menschen das Leid des Krieges.
Nehmen wir die Langzeitwirkungen der Bomben von Hiroshima, Nagasaki, Orange-B über Vietnam, Uranmunition seit dem 2. Weltkrieg, weltweit eingesetzt, wo die wenigsten wissen, dass der freigesetzte radioaktive Feinstaub zwar keine großen Reichweiten hat, jedoch nachhaltig auch Jahre später eingeatmet oder über das Trinkwasser und der Nahrung aufgenommen, den Körper von innen heraus verstrahlt und durch beigefügte andere chemische Stoffe, Wirkung auf die Nieren und das Immunsystem hat.
Die Generationen nach uns werden mit diesen Altlasten neben unseren heutigen Umweltsünden zu tun haben.
Es werden weltweit Kriege geführt. Durch die höher entwickelten Industriestaaten gegen die aufstrebenden Industrieländer, jedoch nicht in deren Ländern, sondern in Drittstaaten, mit nicht so ausgeprägter Industriestruktur.
Ein NATO-Offizier, ich weiß leider seinen Namen nicht, sagte: Industriestaaten sind nicht geeignet als Kriegsschauplätze und militärisch nicht zu verteidigen.
Ja warum wohl nicht?
Die Existenz der Atomkraftwerke, Pharma-, Erdöl- und Chemieindustrie in enormer Dichte, machen jedes konventionelles Geschoss zu einer möglichen atomaren, biologischen oder chemischen Bombe und würden überwiegend die nicht am Krieg beteiligte Zivilbevölkerung treffen.
Kriege sind auch immer Umweltkriege. Sei es durch die Zerstörung von Vorratslagern und Tanks und dadurch Freiwerden von chemischen und biologischen gesundheitsgefährdenden Stoffen, sei es das Versprühen von Giften, Verstrahlen, Verminen und und und….
Deutschland ist ein Industrieland und Deutschland ist Vorreiter und Materialgeber für Waffen, Personal und Logistik.
Glauben wir allen Ernstes, dass sich die angegriffenen Länder nicht kriegstechnisch gegen die NATO-Mitgliedsstaaten wehren werden?
Deshalb gibt es in meinen Augen keine unbeteiligte Zivilbevölkerung. Denn unser Schweigen heute lässt die Regierung, die Konzerne und Banken gewähren.
Kommt es zum Krieg, ist es auch unser aller Schuld!
Im Grundsatzprogramm der Umweltgewerkschaft heißt es:
Der gesellschaftliche Reichtum, der technische Fortschritt, die moderne Wissenschaft und das hohe Bildungsniveau, sind beste Voraussetzungen für eine Welt ohne Umweltzerstörung, Ausbeutung, Hunger und Krieg.
Umweltschützer stehen global, regional und lokal im Kampf gegen die Hauptverursacher in den Konzernzentralen, den Banken und der Regierung.
Deshalb wurde der Gedanke einer Gewerkschaft in der Umweltbewegung geboren. Organisierter Kampf um unsere Existenz und unsere Zukunftsinteressen!
Proteste sind ein Anfang, Aufklärung ist wichtig!
Doch am Ende muss das Volk den Frieden mit den anderen Völkern schließen, vor allem, wenn die Regierung den Profitinteressen Weniger folgt und nicht aus dem gesunden Menschenverstand heraus, den Krieg ablehnt, weil es nur Schaden für das Volk bringt.
Wir haben genug Umweltprobleme durch die Altlasten und umweltbelastende Industrien.
Wir haben über Generationen hinaus genug zu tun, die Existenz der Menschheit zu sichern, weil der Raubbau an der Natur uns unsere eigene Lebensgrundlage entzieht.
Wir können keine Kriege gebrauchen.
Frieden ist sicher nicht alles, aber alles ist nichts ohne den Frieden!
Suse Hawer
Umweltgewerkschaft
Regionalgruppe MV