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Liebe Wanderfreunde,

Wasserwanderung Stuttgart Orientierungvorweg einige grundsätzliche Worte. Wenn wir heute vom Wasser reden, dann meinen wir Trinkwasser. Lediglich etwa 0,7 Prozent des auf der Erde vorhandenen Wassers, ungefähr 10,7 Millionen Kubikmeter, steht derzeit als Süßwasser zur Verfügung. Wikipedia sieht dies als eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte.
Trotz aller Fortschritte der Wissenschaft und Technik haben im 21. Jahrhundert mehr als 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Täglich sterben etwa 10 800 Kinder durch fehlendes oder verunreinigtes Trinkwasser. 80 Prozent aller Krankheiten in den Entwicklungsländern sind auf Mangel an sauberem Trinkwasser zurückzuführen.

Dafür sind heutzutage vor allem folgende Faktoren verantwortlich:

Alle Seen und Teiche die uns heute auf unserer Wanderung begegnen sind künstlich und wurden vom Menschen angelegt. Diese schöne Kulturlandschaft ist ein Ergebnis vom einwirken des Menschen in die Natur.

Diese Seen hier zu Beginn unserer Wanderung sind Auffangbecken für Starkregen, sogenannte Rückhaltebecken. Sie wurden von der Stadt gebaut und vor kurzen noch einmal vergrößert. Die Stadt reagiert so auf den Klimawandel. Sie gehören nicht zur Stuttgarter Wasserversorgung, zeigen aber wie sich die Stadt auf die drohende Klimakatastrophe vorbereitet.

Stuttgart hatte schon immer Probleme mit der Wasserversorgung. Der Talkessel war gut um Pferde zu züchten aber nicht für eine Stadtgründung. Und so gab es auch immer Zank zwischen den Bürgern der Stadt und den herrschen Grafen, Herzögen und Königen von Württemberg.

Im Talkessel gab es zwar Quellen und Teiche jedoch mit wenig und schlechtem Wasser. Das Wasser musste von Degerloch, dem Bopser, vom Vogelsang und aus Kaltental hergeholt werden.
 
Bereits 1490 wurden unter Graf Eberhard Wasserrohre von Kaltental über Heslach zum Alten Schloss gelegt. Es waren Teichelleitungen. „Teichel“ sind aufgebohrte Fichtenstämme von circa vier Metern Länge. Die Leitungen führten ins Schloss, zu anderen herrschaftlichen Gebäuden und Brunnen sowie zu einigen Privathäusern.
1549 erbaute die Stadt eine Wasserleitung von der Pleißklinge oberhalb des Bopserwalds in die Esslinger Vorstadt, im Jahr darauf solche vom Vogelsang zur Turnierackervorstadt.
1565 Damals suchte Herzog Christoph den gestiegenen Wasserbedarf am Hof zu lösen, indem er mehrere Nesenbachzuflüsse in das Wasserversorgungsnetz Stuttgarts eingliedern ließ. Die Fürsten mit ihrer Vorliebe für Wasserspiele gruben so den Müllern das Wasser ab. Mehrere Müller in und um Kaltental hatten kein Wasser mehr zum Mahlen. Der   Aufschrei war groß und sie beschwerten sich. Nach Einsetzen einer Kommission von drei Brunnenbaumeistern ließ der Herzog schließlich die Glems bei der Pfaffenwiese aufstauen und das Wasser über einen Stollen zum Nesenbach ableiten.
So entstanden der Pfaffensee (1566) und Christophstollen und damit auch die Heslacher Wasserfälle.

Wasserwanderung Stuttgart alte Karte

Die Glems die Ursprünglich in Richtung Leonberg floss wurde damit umgeleitet und nach Stuttgart geführt, was die Leonberger gar nicht gut fanden.
1587 beschwerten sich die Müller erneut. Der herrschaftliche Brunnenmeister hatte zwei Brunnenquellen unweit von Heslach fassen lassen. Ihr Mühlwerk wurde dadurch zur Hälfte »wüstgelegt«. Der Stuttgarter Magistrat nannte die Klagen der Müller berechtigt. Diese wiederholten in den folgenden Jahren ihre Beschwerden.
1600 gab es in der Stadt neben vielen Privatbrunnen 25 öffentliche Rohrbrunnen (Laufbrunnen) und ebenso viele Schöpfbrunnen. Zusätzlich gab es noch drei Wetten. Sie dienten als Pferdeschwemmen und als Wasserreservoirs für Löschzwecke bei Feuersbrünsten.
1618 entschied Herzog Johann Friedrich, durch die Anlage eines weiteren Sees im Bereich der obersten Glems den Wasserzufluss des Nesenbachs zu erhöhen. Neben den 8,3 ha großen Pfaffen- oder Vorderen See trat der 4,9 ha große Bären- oder Hintere See. Das Wasser des neu angelegten Sees wurde durch einen Graben in den Pfaffensee geleitet, von dem aus es mit dem Wasser des Pfaffensees durch den Christoph- oder Heidenklinge-Stollen dem Nesenbach zufloss.

Stuttgart Alte Seenkarte

1622 erhöhte sich die Zahl der herrschaftlichen Brunnenstuben in Stuttgart auf 30, die der städtischen auf 23. Allein die teilweise doppelt verlegten herrschaftlichen Leitungen bestanden aus 6000 hölzernen Teicheln; ihr Gesamtnetz umfasste 24 km.
Stuttgarter Bürger lebten damals hauptsächlich vom Weinanbau. Der Ausbau der herrschaftlichen Schlösser und der Weinberge ging voran. Da die herrschaftlichen Gärten immer mehr Wasser abzogen, gingen die Weingärtner dazu über, im Feld Löcher in die Teichel zu hauen und diese Löcher entweder gar nicht oder aber mit Gras zu verstopfen. Herrschaft und Magistrat wollten alles tun, den „Wasserfrevlern“ das Handwerk zu legen. Sie stellten deshalb Feldsteußlern und anderen Personen, die solche Vergehen aufdeckten, »einige Ergötzlichkeit« von der einzuziehenden Strafe in Aussicht. 1692 wurde „Wasserfrevlern“ eine Strafe von einem Großen Frevel angedroht.
1768 hoch über dem Bärensee, gegenüber der Hirschwiese ließ Herzog Carl Eugen ein kleines Lusthaus errichten, das später zu einem kleinen Jagdschloss ausgebaut wurde.,
1800 war die Einwohnerzahl von Stuttgart schon auf 20 000 angewachsen, und es wurde dringend mehr Wasser benötigt.
1812 wurde der Katzenbach- und der Steinbachsee gebaut, die zusammen etwa 120 000 Kubikmeter Wasser umfassen, also kleiner sind als die übrigen. Im selben Jahr wurde auch der etwa 3000 Meter lange Hangkanal gebaut, der das Wasser in den Pfaffensee einleitete.
1826 wurde das Bolzenhäusle gebaut, das den Eingang zum bereits 1566 entstandenen Christophstollen markiert und den Wasserabfluss regeln sollte.
Erst 1833 wurde der Neue See angelegt. Er ist ein reiner Speichersee und verbindet den Bärensee mit dem Pfaffensee.
1838 beklagten sich jetzt nach dem Bau des „Neuen Sees" die Müller des Glemstals. Sie fühlten sich geschädigt und strengten einen Prozess gegen die Königliche Finanzkammer des Neckarkreises an. Durch das Urteil des Königlichen Gerichtshofes für den Neckarkreis vom Jahr 1838 wurde anerkannt, dass die Kläger in ihrem Besitz zu schützen seien. Es wurde verfügt, dass entweder der neu errichtete Seedamm abzutragen sei oder dass aus dem See einschließlich des durch den Damm sickernden Wassers 3 Maaß in der Sekunde, also 5 l/s, an die Glems abzugeben seien. Diese Bestimmung wird auch heute noch eingehalten und durch ein kleines Maßwehr überwacht.
1874 wurde auf dem Hasenberg das Seewasserwerk gebaut und damit dem Wasserfall das Wasser abgegraben. Es handelt sich um das älteste (überwiegend im Original erhalte) Stuttgarter Wasserwerk. Hier wurde bis 2002 das Wasser aus den Parkseen zu Koch- später zu Trinkwasser aufbereitet. Auch wurden Wasserkapazitäten für Feuerlöschzwecke vorgehalten.
Heute ist das Werk Vorratsspeicher zur Versorgung der Weststadt. Einblick in das Terrain kann vom Zugang zum Blauen Weg genommen werden.

Metzgerhaustollen

Metzgerhaustollen

1933 übernahm das Wasserwerk Gallenklinge (Botnanger Sattel), dem das Wasser über den 1930 erbauten Metzgerhaustollen zugeleitet wurde, diese Aufgabe.
 

Stuttgart Seewasserwerk Hasenberg
Das Seewasserwerk Hasenberg,
links: Pumpstation, rechts: Wärterhaus.


Die Wasserversorgung von Stuttgart heute:
Trinkwasser für Stuttgart

Stuttgart ist die Hauptstadt der Wasserspeicher – ihre besondere Topografie mit Tälern und Höhen verlangt ein komplexes Trinkwassersystem und ein besonderes technisches Know-how, um täglich 600.000 Einwohner mit frischem Trinkwasser zu versorgen.

Zwei Arten Wasser

Das Trinkwasser in Deutschland stammt zu zwei Dritteln aus Grundwasser und zu einem Drittel als Oberflächenwasser aus Flüssen, Seen und Talsperren. Dem reinen Quellwasser kommt nur eine sehr geringe Bedeutung zu – so auch in Stuttgart. Obwohl der Neckar und der kleine Nesenbach durch die Landeshauptstadt fließen und es ein sehr bedeutendes Mineralwasservorkommen in Bad Cannstatt und Berg gibt, war Stuttgart immer schon ein Wassermangelgebiet und auf Wasserlieferungen aus dem Umland angewiesen.
Spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts war klar, dass die Quellen an den Hängen des Nesenbachtals und auch der weiteren Umgebung nicht mehr ausreichten, um die seit der Industrialisierung stetig anwachsende Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen. Andere und auch weiter entfernt liegende Wasserquellen mussten erschlossen werden.

Wasser aus dem Donauried und dem Bodensee

Seit 1917 fließt Wasser aus dem Donaugebiet bei Ulm nach Stuttgart; seit Ende der Fünfzigerjahre wird auch Bodenseewasser genutzt. Heute verfügt Stuttgart über keine nennenswert eigene Wassergewinnung mehr. Die Stadt ist vollständig auf Wasserlieferungen aus der Ferne angewiesen. Hierfür sind zwei kommunale Zweckverbände zuständig, die Landeswasserversorgung und die Bodensee-Wasserversorgung. Die EnBW hält jeweils ein Drittel Unternehmensanteile, um sich ausreichend Wasserbezugsrechte zu sichern. Beide Wasserlieferanten bereiten in ihren Wasserwerken das jeweilige Rohwasser zu Trinkwasser auf. Es wird gereinigt, entkeimt und für den Transport desinfiziert. Mit Hilfe elektrischer Pumpen geht es bergauf nach Stuttgart. Ab der Stadtgrenze verteilt es die EnBW über ihre Tochter Netze BW im gesamten Stadtgebiet.
Weil das Stuttgarter Wasser von zwei Versorgern stammt, trinken die Stuttgarter auch zwei Arten Wasser: Der Süden, Westen und teilweise der Norden erhalten das Wasser aus dem Bodensee, der restliche Norden, die Mitte und der Osten das Wasser aus dem Donauried. In beiden Fällen handelt es sich noch um Trinkwasser hoher Güte, was sich jedoch auch leicht ändern kann, vergleicht man die privatisierte Wasserversorgung z. B. Von London.

Trinkt Leitungswasser

Einen sehr hohen Beitrag zur Energie- und Ressourceneinsparung kann man mit dem Konsum von Leitungswasser bewirken. Durch das Abfüllen, den Transport und nicht zuletzt die Verpackung entsteht bei Flaschenwasser ein wesentlich höherer Energieverbrauch, dieser liegt um teilweise mehr als das tausendfache über dem des Leitungswassers! Und das Leitungswasser wird täglich kontrolliert und das Flaschenwasser nur bei der Abfüllung.
Und so soll es auch bleiben. Deshalb Rekommunalisierung des Wassers!


Bodensee-Wasserversorgung:

Seit 1958 versorgt die Bodensee-Wasserversorgung 147 Kommunen und 34 Wasserversorgungszweckverbände rund um die Uhr mit Trinkwasser.
Etwa vier Millionen Baden-Württemberger kommen so in den Genuss von frischem und sauberen Trinkwasser aus dem Bodensee.

Bodensee

Der Bodensee wird zu zwei Dritteln mit Wasser aus den Alpen gespeist. Insgesamt sorgen die Zuflüsse für circa 11,5 Milliarden Kubikmeter frisches Wasser pro Jahr. Die jährliche Wasserentnahme der Bodensee-Wasserversorgung von etwa 125 Millionen Kubikmetern Wasser ist, verglichen mit dem Zufluss, also eine vernachlässigbare Menge. Das Wasser aus den Alpen fließt zum überwiegenden Teil aus mehr als 1.500 Meter Höhe in den See und ist in seiner Qualität wenig durch Besiedlung, Industrie und Landwirtschaft beeinträchtigt. Es reicht daher für die Verwendung zu Trinkwasser eine einfache, naturnahe Aufbereitung. Dank des ständigen Zuflusses aus den Alpen steht immer genügend Wasser zur Verfügung.

Cross-Border-Leasing-Vertrag

Mit einem Cross-Border-Leasing-Vertrag hatte der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung 2002 seine gesamten Betriebsanlagen und die Infrastruktur für 841 Millionen US-Dollar an eine US-Treuhandgesellschaft verkauft und von dieser zugleich zurück gemietet. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 30 Jahren. Das Geld wurde bei verschiedenen Finanzinstituten hinterlegt, mit der Verpflichtung, den Mietpreis der Bodensee-Wasserversorgung in mehreren Raten zurückzuzahlen. Eines der beteiligten Finanzinstitute, die AIG, musste im Herbst 2008 ausgewechselt werden, weil es eine im Vertrag festgehaltene Bonitätsschwelle unterschritten hatte. Auf Druck der Bevölkerung mussten Ende März 2009 die Vertragsbeziehungen vorzeitig beendet werden. Der Verlust aus dem Geschäft beläuft sich auf 4,7 Millionen Euro.

Bürgerbegehren 100-Wasser

Im Jahr 2002 wurde die Stuttgarter Wasserversorgung privatisiert und an die EnBW verkauft. Seit diesem Zeitpunkt engagieren sich Bürgerinnen und Bürger der Stadt für einen Rückkauf der Wasserversorgung, da sie die Wasserversorgung als ein besonderes Gut angesehen, dass nicht zu marktwirtschaftlichen Zwecken missbraucht werden soll. So wurde die Aktion 100-Wasser gestartet die 25.700 Unterschriften für eine Rückkauf sammelte.
Proteste und das erfolgreiche Bürgerbegehren hatten den Gemeinderat umgestimmt, aber nachdem Ende 2013 der Vertrag mit der EnBW über die Wasserversorgung auslief, streitet man sich seither vor dem Landesgericht über den Rückkaufpreis. Die EnBW fordert mit bis zu 700 Millionen das Vier- bis Fünffache des einstigen Kaufpreises. Auch wegen der laut Kartellamt zu hohen Wasserpreisaufschläge ist ein Streit zwischen EnBW und Stadt entbrannt. Die extreme Profitorientierung eines Konzerns, der mittlerweile wieder mehrheitlich dem Land gehört, können viele nicht nachvollziehen.

Wasserversorgung und TTIP (aus KUS)

Die Stuttgarter Wasserversorgung ist gegenwärtig noch in der Hand der EnBW, einem privaten Konzern. Bei der Frage der Rekommunalisierung des Wassers gibt es einen Rechtsstreit zwischen der Landeshauptstadt und der EnBW, der sich noch  Jahre hinziehen kann. Falls TTIP verabschiedet wird und die EnBW immer noch Eigentümer des Wassernetzes ist, kann dieses Wassernetz nicht mehr rekommunalisiert werden, sondern muss in der Hand eines privaten Eigentümers bleiben.

Fracking im Bodenseeraum (aus KUS)

Fracking im Bodenseeraum könnte direkt die Trinkwasserversorgung in Stuttgart bedrohen. Mit TTIP könnten ausländische Konzerne wie z.B. Exxon gegen Umweltvorschriften der Bundesrepublik klagen, weil sie eine Wettbewerbsbenachteiligung in diesen Vorschriften sehen könnten.