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Dies ist der erste Teil einer Reihe, die mit kurzen Portraits Umweltaktivistinnen* dieser Welt vorstellt. Besonders uns Frauen*1 soll damit ein Einblick in die Vielfältigkeit von Protest gewährt werden. Jede der vorgestellten Frauen* leistet(e) ihren ganz individuellen Beitrag zum Schutz der Umwelt und zum eigenen Leben im Einklang mit der Natur. Wir möchten euch mit dem Potpourri an Lebensentwürfen und aktivistischen Ansatzpunkten, das sich über die nächsten Monate in den Portraits ansammeln wird, motivieren, euch selbst als umweltaktivistisch in all euren großen und kleinen Schritten zu begreifen.

Heute stellen wir euch die honduranische Umweltaktivistin Berta Cáceres vor, die im Frühjahr 2016 ermordet wurde.

Berta Cáceres, mit vollem Namen Berta Isabel Cáceres Flores, war eine bekannte Menschenrechts- und Umweltaktivistin.
Mit 20 Jahren gründete sie 1993 mit vielen Mitstreiter*innen das “Council of Popular and Indigenious Organization of Honduras“, kurz COPINH2. Diese Organisation setzt sich bis heute für die Rechte indigener Völker ein. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist dabei der Erhalt der natürlichen Umwelt der Menschen. Im Rahmen ihrer Organisation war Berta vor allem für die Koordination der territorialen Verteidigung, den Schutz von Boden, Wasser und Wäldern verantwortlich, die zumeist friedlich stattfand. Da Berta selbst zu den Lenca gehörte, einem indigenen Volk aus Honduras, konzentrierte sie sich damit auf ein sehr persönliches Ziel. Gleichzeitig begab sie sich mit diesem Weg auf die ausgetretenen Pfade ihrer Mutter und ihres ganzen Lencavolkes, das sich als Hüter*innen der Natur, der Erde und vor allem der Flüsse begreift. Berta engagierte sich also nicht von ungefähr vor allem gegen die Vertreibung von Menschen durch große Konzerne und gegen die Privatisierung von Flüssen. Diese Privatisierung führt zu einer starken Einschränkung der Nutzung der Flüsse für kleinbäuerliche und andere traditionelle Nutzungsweisen durch die indigene Bevölkerung, aber auch zu einer Verwirtschaftlichung von Ressourcen unter kapitalistischen Gesichtspunkten. Wieder einmal bereichern sich wenige zum Schaden der Natur und der breiten Bevölkerung. Zudem wohnen nach der Tradition der Lenca in den Flüssen weibliche Geister, deren Schutz vor allem den Frauen obliegt.

Seit dem Putsch 20093 wurde Berta mit ihren 36 Jahren als eine der wichtigsten Vertreter*innen der Opposition betrachtet. Damit wurde sie nicht nur als Umweltaktivistin, sondern auch als ernstzunehmende Umweltpolitikerin wahrgenommen.

Eins, wenn nicht sogar das größte von Bertas umweltaktivistischen Projekten, war der Kampf gegen den seit 2006 am Gualcarque-Fluss geplanten Staudamm "Agua Zarca", an dem unter anderem auch der deutsche Konzern Siemens beteiligt ist. Die Bevölkerung wurde lange nicht über dieses Vorhaben informiert, obwohl die beteiligten Firmen den Bau bereits aktiv voran trieben. Die Lenca richteten als Zeichen des Protests ein friedliches Camp ein und sperrten die Zugangsstraßen zur Baustelle. Mit ihrem Protest zwangen sie schließlich wichtige Global Player wie die Weltbank oder den Dammbauer Sinohydro, aus dem Projekt auszusteigen. Das Bauvorhaben konnte für einige Zeit gestoppt werden, allerdings dauert der Kampf gegen den Bau bis heute an.

Einen Tag vor ihrem 43sten Geburtstag, wurde Berta am 3. März 2016 von mehreren Bewaffneten in ihrem Haus ermordet. Ihre Mutter und eine Tochter nehmen die Baufirma des "Agua Zarca"-Staudamms “Deza“ und die honduranische Regierung in die Verantwortung. Erstere könnte gar die Mörder beauftragt haben. Die zweite gab in der Vergangenheit Wasserrechte an Investoren ab, statt die natürlichen Ressourcen zu schützen. Zuvor erhielt Berta bereits über Jahre hinweg Mord- und Kidnappingdrohungen. Sie war sich der lebensbedrohlichen Gefahr immer bewusst. „Wenn sie mich töten wollen, dann werden sie es tun“, äußerte sie 2013 in einem Interview mit Al Jazeera.4 Die interamerikanische Menschenrechtskommission hatte Cáceres bereits Schutzmaßnahmen zugesprochen; leider zu spät. Neben ihren politischen Aktivitäten war Berta alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Zwei von ihnen leben seit einiger Zeit im Ausland. Sie flohen, da sie die Drohungen, die auch sie betrafen, nicht mehr aushielten.

Bertas außergewöhnlicher Mut und ihr Engagement, für das sie zu Lebzeiten mehrere internationale Preise erhielt, sind einzigartig. Oder mit den Worten ihrer Tochter: „Sie war eine resolute Frau, die an eine andere Welt glaubte, eine Welt der Harmonie im Einklang mit der Natur.“5

Dies soll kein Aufruf sein, sich als Frau unbedingt märtyrerisch für die eigenen Ziele einsetzen zu müssen. Nein, viel kleiner und subtiler ist es, was wir von Berta lernen können. Worin liegt die ursprüngliche Quelle ihrer Leidenschaft? Neben dem Erhalt der Rechte der indigenen Minderheiten stand der Erhalt der Natur im Fokus ihres Engagements. Ihren Zugang zur Natur bekam Berta in ihrer Kindheit und Jugend im ganz alltäglichen Erleben der Natur als Mitglied der Lenca. In der hiesigen naturpädagogischen Praxis, zum Beispiel der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wird dieser Zugang zunehmend als besonders wichtig erkannt. Das Erleben der Natur mit allen Sinnen ist einer der besten Wege, umweltpolitische Ziele vom Kopf ins Herz und schließlich in die Hand, also ins alltägliche Handeln umzuleiten. Egal, ob ihr selbst euch alleine in die Natur begebt, euch ab und zu Zeit nehmt, die Natur zu erforschen, zu beobachten, anzufassen, ihren Geruch, ihre Geräusche, Farben und Witterungen bewusst wahrzunehmen, oder ob ihr eure Erfahrungen anderen Menschen, vielleicht eurer Familie oder euren Freunden nahe bringt, indem ihr sie mitnehmt in die Natur: ihr legt damit bei euch und Anderen Grundsteine für das Schützen dessen, was ihr schätzt.6 Und wer weiß, was für unterschiedliche umweltaktivistische Wege daraus entstehen.

Jana Ballenthien für das Team Gleichstellung und den Bundesvorstand der Umweltgewerkschaft

Ihr könnt diese Reihe selbst mitgestalten. Sendet uns einfach den Namen der weiblichen Persönlichkeit, die ihr porträtiert bekommen möchtet, oder sendet uns ein fertiges Portrait. Der Text sollte nicht viel mehr als XXX Wörter beinhalten (die Literaturangaben und Quellenhinweise werden nicht mitgezählt), und sollte eine deutliche Sichtbarmachung der Vielfältigkeit des Protests oder der inspirierenden Wege zum Protest der vorgestellten Persönlichkeit beinhalten

Quellenhinweise

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (2012): Natur, Umwelt, Nachhaltigkeit. Bildung im BUND. Online unter: https://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/nachhaltigkeit/20120229_nachhaltigkeit_bildungimbund_broschuere.pdf [Stand April 2016]

Lude, Armin: Entwicklung von Unterrichtsmodellen. BNE – Bildung für nachhaltige Entwicklung. Online unter: https://www.ph-ludwigsburg.de/8270+M52087573ab0.html [Stand April 2016]

Lakhani, Nina (2013): Honduras dam project shadowed by violence. A proposed hydroelectric dam in Rio Blanco has pitted the locals against the police and a private security force. Online unter: http://www.aljazeera.com/indepth/features/2013/12/honduras-dam-project-shadowed-violence-201312211490337166.html [Stand April 2016

Netzfrauen.org: Tochter von Berta Caceres spricht über die Ermordung ihrer Mutter – Statement from the daughter of Berta Cáceres. Übersetzt von der Netzfrau Birgit Steinmeyer aus Chile. 08.03.2016. Online unter: https://netzfrauen.org/2016/03/08/39852/. Unter diesem link findet sich auch die englische Version und eine Audioaufzeichung des Textes. [Stand April 2016]

Neubauer, Harald: Bestürzung über Mord an Aktivistin Berta Cáceres in Honduras. Amerika21 – Nachrichten und Analysen aus Lateinamerika. 04.03.2016. Online unter: https://amerika21.de/2016/03/146457/mord-caceres-honduras-siemens [Stand April 2015]

Spiegelonline: Honduras: Tochter von ermordeter Aktivistin beschuldigt Baufirma. 05.03.2016 Online unter: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/honduras-mord-an-berta-caceres-tochter-beschuldigt-baufirma-a-1080807.html [Stand April 2016]

Stern.de: Militär putscht gegen Präsident Zelaya. 28.06.2009. Online unter
http://www.stern.de/politik/ausland/honduras-militaer-putscht-gegen-praesident-zelaya-3809890.html [Stand April 2016]

Gründe für den Putsch in Honduras. Das Establishment schlägt zurück. 30.06.2009. Online unter: http://www.taz.de/!5160639/ [Stand April 2016]

Die vier Kinder Bertas bei ihrem Statement während der Beerdigung
Fotoquelle: https://netzfrauen.org

Untertitel zum Foto: Die vier Kinder Bertas bei ihrem Statement während der Beerdigung