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Redebeitrag Umweltgewerkschaft auf dem Tagesseminar/Strategiedebatte der Neuen Friedensbewegung am 14.1.2023 in Berlin

(aufgrund Redezeit-Einschränkung nur auszugsweise gehalten; hier der komplette Beitrag)

 

Mit der Gefahr eines Atomkriegs droht eine allseitige Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen

Es wird aktiv von allen Imperialisten ein Weltkrieg vorbereitet, der unter heutige Bedingungen ein Atomkrieg sein wird.

Bis heute lehnen es fast alle imperialistischen Staaten, die im Besitz von Atomwaffen sind, ganz bewusst ab, auf einen Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten. Die Meinung, die Kriegstreiber würden niemals soweit gehen, einen Atomkrieg zu führen, ist ein gefährlicher Irrtum.

Dass Russlands Kriegsführung in die Defensive geraten ist, und die Ukraine vermeintlich siegen kann mit noch schwereren Waffen der NATO, entspannt keineswegs die Situation. Konkreten Drohungen und Vorbereitungen des Einsatzes von Atomwaffen gehen sowohl von Russland als auch von der NATO aus. Am 22.12. erklärte Putin, Russland wolle sein Militärpotenzial ausbauen, auch die Kampfbereitschaft seiner Atomstreitkräfte. Sein „Verteidigungs“minister Schoigu führte aus, dass die mit Atomsprengköpfen bestückte neue Interkontinentalrakete vom Typ „Sarmant“ bald einsatzfähig ist.

Wenn man nun „Atomwaffen“ googelt kommen etliche Beiträge über die atomare Bedrohung durch Putin. Aber was ist mit den anderen Imperialisten?

Präsident Biden betont zwar, auf einen Atomschlag Russlands in der Ukraine würde die USA mit konventionellen Waffen antworten, aber das ist wenig glaubwürdig. Die US Imperialisten modernisieren gerade die ca. 100 Atomsprengköpfe in Europa. Ende Oktober wurde öffentlich, dass diese Modernisierung sogar beschleunigt ablaufen soll. Das deutsche "Verteidigungsministerium" betont am 12.10., "die Luftwaffe sei bereit, die Atomwaffen der USA im Krisenfall im Rahmen der so genannten nuklearen Teilhabe zu transportieren und notfalls auch abzufeuern".

Zum Kauf der atomwaffenfähigen F35 Kampfjets durch den deutschen Imperialismus schreibt eine Studie zu den Umweltauswirkungen des 100 Milliarden € Sondervermögens von BUND, Rosa Luxemburg-Stiftung und IPB: „Der F 35 – gilt (...) als das teuerste und ambitionierteste Rüstungsprojekt des US Militärs. (…), was mit dem beabsichtigten Fähigkeitsprofil als „fortschrittlichstes und tödlichstes Kampfflugzeug“ zu tun hat.3Für die Bundeswehr ist ein Großteil der bestellten Kampfjets als Trägersysteme für die im Fliegerhorst Büchel lagernden US – Atomwaffen vorhergesehen, die – nach erfolgter Modernisierung – nur auf US-zertifizierten Kampfjets bestückt werden dürfen.“

Im August 2021 verkündet Großbritannien ihre Überlegungen, sich selber weitere Nuklearsprengköpfe anzuschaffen. Der chinesische Imperialismus baut schon seit 2021 Raketensilos für Atomsprengköpfe und am 13.1. verkündete der Präsident von Südkorea die Möglichkeit, eigene Nuklearsprengköpfe anzuschaffen oder US-Atomsprengköpfe zu stationieren.

Deutsche oder europäische Atomwaffen werden in die Diskussion gebracht

Am 1.6. gab es einen Vorstoß des parlamentarischen Geschäftsführers der Bundestagsfraktion der CDU, Thorsten Frei, der sagte, die EU solle den Kauf eigener Nuklearwaffen und den Aufbau eines eigenen atomaren „EU-Schutzschirms“ in Betracht ziehen. Der CSU Abgeordnete Manfred Weber, Mitglied im EU Parlament, pflichtete ihm sofort bei und fordert auch deutschen Zugang zu Atomwaffen.

Am 20.6. schreibt der SPIEGEL Journalist Dirk Kurbjuweit im Artikel mit der Überschrift „Atomarer Redebedarf“: „Wenn sich Europa nicht hundertprozentig auf die USA, Frankreich und Großbritannien verlassen kann, braucht dann nicht auch Deutschland Atomwaffen? Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter, wenn ich diese Worte schreibe. Aber wenn man nun all das zuende denkt, was derzeit passiert, muss man sich diese Frage stellen.“

Während Herr Kurbjuweit also mit allen noch vorhandenen Skrupeln aufräumt, um von einem opportunistischen Standpunkt zu einem sozialchauvinistischen Standpunkt der offenen Unterstützung der deutschen imperialistischen Kriegstreiber zu kommen, müssen wir uns bewusst werden darüber, dass auch der deutsche Imperialismus nicht zurückschrecken wird vor dem Einsatz von Atomwaffen.

Statt sich ihrer imperialistischen Logik zu unterwerfen, denken wir diese Bedrohung zuende und müssen feststellen:

Eines der wichtigsten Aufgaben im Aufbau einer neuen Friedensbewegung muss der aktive Widerstand gegen Atomkriegsgefahr und Atomtod sein.

Hier besteht auch die direkte Verbindungslinie zur Umweltbewegung und ihre Gewinnung für die neue Friedensbewegung – eine größere Zerstörung von Mensch und Natur als durch einen Atomkrieg ist kaum vorstellbar.

Wir müssen die Vertuschung und Verharmlosung der aktiven Vorbereitung eines Atomkriegs aufdecken und die sozialchauvinistischen Positionen bürgerlicher Politiker und bürgerlicher Journalisten, die nun unverhohlen deutsche Atomwaffen fordern, angreifen!

Mit Illusionen aufräumen, um die Massen für den aktiven Widerstand zu gewinnen

Eine Masse von Menschen verurteilt die wahnsinnige Vorstellung eines“führbaren“ Atomkrieges. Darauf müssen auch die heutigen Kriegstreiber Rücksicht nehmen und sind sehr vorsichtig mit ihren Atomplänen. Gab es in den 1980er Jahren noch 72.000 Atomsprengköpfe in der Welt, gelang es den Massen in unermüdlichem Friedenskampf, die Imperialisten zu zwingen diese Zahl auf heute etwa 12.000 zu reduzieren. Wer sagt also, unser Kampf würde nichts bringen?

Doch die Imperialisten denken sich neue Schachzüge aus.

Ende 2022 wurde der Tagungsort für das nächste G7-Treffen unter Führung Japans bekannt: Hiroshima! Dort will man angeblich auch minimale Vereinbarungen zum Thema Abrüstung und Nichterstschlag mit Atomwaffen treffen. Angesichts der massiven Aufrüstung und Vorbereitung auf einen Atomkrieg und der bekannten Politik Japans der Vertuschung und Verharmlosung des Umweltverbrechens im havarierten Atomkraftwerk in Fukushima ist das ein Gipfel der Heuchelei.

Dann verbreiten die Imperialisten die Illusion eines taktischen oder begrenzten Atomkriegs, mit sogenannten „Mini Nukes“, also angeblich kleineren Atomwaffen. Das verharmlost massiv deren trotzdem verheerenden Wirkung. Die Hiroshima-Atombombe „Little Boy“ hatte eine Sprengkraft von ca. 13 kilotonnen, also 13-tausend Tonnen TNT. Schon 1 einziges Kilogramm, also ein Tausendstel einer Tonne TNT reicht mehr als aus, um ein Auto in die Luft zu sprengen. Zum einen sind die taktischen Atomwaffen alle grundsätzlich fähig, zu strategischen Atomwaffen zu werden. Taktische Atomwaffen von heute haben eine einstellbare Sprengkraft zwischen wenigen kilotonnen TNT (also unter Hiroshima-Stärke) bis zu hundert kilotonnen TNT (also einem Vielfachen der Hiroshima-Bombe). Allein schon diese Entwicklung solcher in ihrer Stärke „einstellbaren“ Atomwaffen zeigt die wahnsinnige und zugleich menschheitsverachtende Vorstellung, sie im Krieg auch „taktisch“ einsetzen zu können ohne dass sich daraus ein atomarer Weltkrieg entwickeln würde.

Zum anderen sind Atomwaffen immer Massenvernichtungswaffen. Die Sendung Quarks veröffentliche am 22.10.22 eine Simulation von Atomwaffen über Köln:

„Wenn wir mal von einer sehr kleinen Atomwaffe ausgehen, nämlich von einer mit „nur“ 1kt TNT, wenn die in der Luft über dem Kölner Dom gezündet werden würde, dann (…) würde ein Feuerball entstehen, (…) der flächenmäßig ungefähr so groß wäre wie der Kölner Dom. Noch im Radius von 400 Meter von der Detonation entfernt würden alle Gebäude durch die Druckwelle kaputt gehen, und in diesem Bereich würden alle Menschen sofort sterben. Die Hitzewelle, die entsteht, würde alles brennbare anzünden und es würde zu Feuerstürmen kommen. Das würde bei Menschen in diesem Bereich zu schweren Verbrennungen 3. Grades führen. Die radioaktive Strahlung könnte in einem Bereich von ca. 1 km Radius zu Blutungen, Schäden an den Nervensystemen und Organen führen, was bei dieser Konzentration bei der Hälfte der Menschen innerhalb von 30 Tagen zum Tod führen würde. Je näher die Bombe am Boden gezündet wird, desto stärker würde es zum Ascheregen kommen – habt ihr vielleicht schonmal gehört, Fallout nennt man das, weil sich die radioaktiven Rückstände direkt an das Bodenmaterial heften oder dort weitere strahlende Substanzen bilden können. Und diese Partikel können durch Wind und Wetter durch weite Strecken getragen werden. Das können in unserem Fall bis zu 40km sein. Und auf dieser Strecke würde das zu höheren Krebsraten sorgen.“

Das ist noch eine eher verharmlosende Annahme, denn die Strahlung hat weit schlimmere Auswirkungen als nur die Erhöhung der Krebsrate, nämlich Missbildungen von Kindern, genetische Störungen und Verseuchung der Lebensgrundlagen, der Felder, Tiere, Bäume..

Die einzige Möglichkeit zur Verhinderung eines menschheitsvernichtenden Atomkriegs besteht darin, den Einsatz von Atomwaffen generell zu verhindern!

Olof Palme kritisierte in 1982 vor der UNO in einem Bericht der Kommission für Abrüstung die Illusion vom angeblichen taktisch begrenzbaren Atomkrieg. Er sagte unter anderem:

„Unsere Schlussfolgerung war eindeutig: Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden. Ein Sieg ist nicht möglich. Es wäre eine solche Katastrophe, dass der Begriff „Sieg“ bedeutungslos wäre. - Außerdem glauben wir nicht, dass ein Atomkrieg kontrolliert oder begrenzt werden kann. Einige behaupten das... In unserem Bericht kommen wir zu dem Schluss, dass „man“ um sich einen solchen Konflikt überhaupt ernsthaft vorstellen zu können, unglaubliche Annahme über die Rationalität von Entscheidungsträgern unter starken Druck, über die Widerstandsfähigkeit der Menschen und der Maschinen, über Kommando und Kontrollsysteme, über den sozialen Zusammenhalt angesichts beispielloser Verwüstung und Leiden, über die Aufrechterhaltung staatlicher Strukturen und über die Stärke der militärischen Disziplin machen muss. Ein begrenzter Atomkrieg ist einfach eine Illusion...“

Bereits die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Übung mit Atomwaffen geht mit umfassenden Folgen und Gefahren für die natürliche Umwelt einher.

Es gibt neben der akuten Bedrohung aber auch die Umweltschäden, die allein aus der gesamten Militärlogistik stammen. Diese kommen aus

a) Der Herstellung von Uranmunition, dem Uranabbau mit stark umweltschädlichen Folgen

b) Die jährlichen Manöver, um den Einsatz von ABC Waffen zu üben, wie das NATO-Manöver „Steadfest Noon“ im Herbst 2022. Auch bei vielen kleineren Wartungsarbeiten und Manövern auf den Militärbasen tritt regelmäßig chemisches und radioaktives Material aus, was man um die Militärbasen auch messen kann. Sehr giftig ist in dem Zusammenhang der Löschschaum PFOS zur Löschung von „Spezialmilitärmitteln“. Der Einsatz ist in Europa verboten, wird aber nachweislich in Ramstein eingesetzt von US Militär. Über diese Schäden wird wenig bekannt und es ist eine Aufgabe der neuen Friedensbewegung, solche Fragen zu analysieren und zu veröffentlichen.

c) Die Munitionsdepots der Bundeswehr, wahrscheinlich in Munster, in denen Senfgas, Nervengas und andere Chemikalien lagern.

4) Weitere mutwillige Förderung des Weiterbetriebs und Baus von Atomkraftwerken weltweit. Der Hintergrund ist hauptsächlich militärisch um atomwaffenfähiges Material zu erhalten, denn Atomkraft ist für die Energieversorgung heutzutage selbst aus kapitalistischer Sicht nicht mehr nötig, die erneuerbaren Energien sind deutlich billiger.

Ein aktuelles Beispiel für die verbrecherischen Aktivitäten der Atomkonzerne: Die ukrainischen AKW werden mittlerweile vom US Atomkonzern Westinghouse gemeinsam mit dem staatlichen ukrainischen Atomkonzern Energoatom betrieben. Während die Menschheit den Atem anhält angesichts des Beschusses des AKW in Saporischja, beschließt Westinghouse im Juni 2022 mitten im Krieg zusammen mit Energoatom den Bau von 5 neuen AKW in der Ukraine, und wollen damit Europa mit Strom versorgen.5

Wer einen atomar geführten dritten Weltkrieg verhindern will, der muss jeden Einsatz von Atomwaffen unterbinden

Viele von uns sind der Meinung, dass nur ein Sturz des imperialistischen Weltsystems die Gefahr eines Atomkrieges tatsächlich ein für allemal beseitigen kann. Bis dahin muss jeglicher Einsatz von Atomwaffen durch eine zig-Millionen Menschen umfassende weltweite Friedensbewegung verhindert werden!

 

Wir brauchen dazu auch konkrete Forderungen gegen den deutschen Imperialismus und schlagen folgende vor:

* keine Brennstäbe aus Lingen und kein angereichertes Uran aus Gronau in die Ukraine, sofortige Schließung dieser beiden Atomfabriken auf deutschem Boden!

* sofortiger Ausstieg aus der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ und Verbot der Lagerung von Atomwaffen in Deutschland!

* sofortige Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags durch die Bundesregierung, sowie öffentliche und feierliche Verpflichtung, niemals einen atomaren Erstschlag durchzuführen oder im Rahmen der NATO zu unterstützen;

* und als wichtigste Forderung: Verbot und Vernichtung aller Atomwaffen!

 

Dazu gibt es historisch 2 Beispiele, wo auf den atomaren Erstschlag verzichtet wurde:

1. Ein sozialistisches Land schließt den Erstschlag aus: das sozialistische China hat den Erstschlag sofort ausgeschlossen, und zwar schon 1964 nach ihrem ersten erfolgreichen Atomwaffentest. Leider gibt es heute kein sozialistisches Land mehr, das diese Vorreiterrolle einnehmen kann.

2. Der Ausschluss des Erstschlags wird von der Friedensbewegung erkämpft: die schon lange bürokratisch-kapitalistische, aber sich noch „sozialistisch“ nennende Sowjetunion hat 1982 den Erstschlag ausgeschlossen als Reaktion auf die wachsende Kritik der europäischen Friedensbewegung gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Europa durch USA und Sowjetunion.

 Wir müssen für die Gewinnung der Massen für den Kampf gegen die Atomkriegsgefahr eine Bewusstseinsbildung zu dieser Thematik entwickeln, besonders unter der Jugend.

Das sollten wir heute beraten. Erste Ideen von uns sind, die Herausgabe von gemeinsamem Infomaterial der Einheitsfront, und dass wir an geeigneten Jahrestagen wie Hiroshima/Nagasaki, Tschernobyl oder Fukushima gemeinsame Protest- und Gedenk-Kundgebungen durchführen.

Wir werden als überparteilicher Umweltverband alles tun, um die Umweltbewegung zum festen und bewussten Bestandteil der Neuen Friedensbewegung zu machen.

   Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.