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Nach 12 Stunden Nonstop-Flug sind wir gegen 6:30 Uhr in Lima angekommen. Danach fast 1,5 Stunden Schlangestehen bei der Einreisekontrolle am Flughafen - und warum: weil alle Ankommenden einzeln fotografiert und zusätzlich alle 10 (!) Fingerabdrücke abgenommen wurden.  Umso schöner war der herzliche Empfang durch drei Mitglieder unserer peruanischen Partnerorganisation CANTO VIVO direkt am Flughafenausgang!  Mit dem Taxi gings mitten in die 10-Millionen-Metropole hinein, wo wir in der Parterre-Wohnung der Canto-Vivo-Familie gut unterbracht sind.

Peru01 Willkommen in Lima 1MB

Ein kleiner Rundgang durch das Stadtviertel gibt uns nachmittags einen ersten Einblick in das Leben hier. Zufällig kommen wir bei einem Schulfest vorbei. Einige liebevoll selbstgemachte Plakate machen auf die Umweltprobleme aufmerksam. Der Text des einen Plakats lautet sinngemäß: "Wasser haben gibt uns Leben, aber Bewußtsein über Wasser haben gibt uns Wasser". Lima ist eigentlich eine Stadt in der Wüste, nur das Wasser aus den Anden hat eine große fruchtbare Oase geschaffen, in der man Leben kann. Aber diese Wasserquelle ist bedroht, denn die Anden-Gletscher schmelzen rapide...    

Peru02 Schulfest Lima1

 

Peru03 Schulfest Lima2Peru04 Schulfest Lima3

 

Heute konnten wir ein erstes Projekt von CANTO VIVO erleben: Herausbildung von Umweltbewusstsein in einer Schule - und die Probleme dabei. Die Schule liegt am Rand eines Armenviertels, das einen Berghang am Stadtrand hinaufgewachsen ist. Alles total trocken, felsig, staubig, von weitem keinerlei Grün zu sehen. Die Bewohner kämpfen um offizielle Anerkennung ihrer selbstgebauten und schon Jahrzehnte bewohnten Häuser durch die Stadtverwaltung. Dazu muss man wissen, dass Lima heute ungefähr zur Hälfte aus „illegal“ gewachsenen Siedlungen armer Menschen vom Hochland besteht; dazu kamen in den letzten Jahren rund 1 Million Flüchtlingen aus Venezuela.

Lima Armenviertel am Berg2

Die Kinder und Jugendlichen brauchen dringend Bildung und Unterstützung, auch in Sachen Umweltbewusstsein. So pflanzten CANTO-VIVO-Mitglieder mit ihnen zusammen Obstbäumchen und erklärten dabei die große Bedeutung von Bäumen für die Menschen. Auch den Lehrern! Einige Zeit wurden sie selbständig von Schülergruppen bewässert und gepflegt. Inzwischen droht Vernachlässigung; bei nur 5 bis 6 (!) Lehrer auf 300 Schüler*innen kein Wunder. Müll liegt rum, einige Bäumchen sind vertrocknet, anderen geht es noch recht gut. Wir schlugen vor, uns an einem gemeinsamen Säuberungs- und Bewässerungs-Einsatz mit Jugendlichen zu beteiligen. Vielleicht klappt es am Samstag, mal sehen.

 

Lima CV Schulprojekt1

Lima CV Schulprojekt2 jungeTriebe

Auf den Straßen der Innenstadt ein unglaublicher Lärm, Gehupe, Abgasgestank und Hektik. Autos, Taxis, Busse in allen Größen, und alle in Zentimeterabstand. Unsere Begleiterin von CANTO VIVO meint: „Wir sind das Chaos hier gewöhnt. In Lima Autofahren ist Kampf!“ Immerhin einige gepflegte kleine Parkanlagen. Viele nutzen die grünen Oasen zu einem Nickerchen. Der "Fluss" Rio Rimac ist nur noch ein Rinnsal, das Wasser durch die Industrieabwässer stark verseucht. Perfekt renovierte alte Kolonialbauten, protzige Kirchen und einzelne moderne Hochhäuser und Einkaufsmalls stehen in krassem Gegensatz zu den riesigen Armenvierteln am Stadtrand. Interessant: mit kunstvoll selbstgebauten abenteuerlichen Dreirad-Karren aus Fahrradteilen, Plastikdach und Holzresten, aber mit Megaphonen, die ihrem Namen alle Ehre machen, eben megalaut, werden Bananen oder ein Haufen technischer Kleinkram angepriesen.

 Lima Parknickerchen

Lima Kolonialbauten1

Lima RioRimac fastleer

Nachmittags und abends bekommen wir einen Eindruck von der alltäglichen Einschüchterung und Unterdrückung durch die Staatsgewalt. Weil nicht-legalisierte „selbstständige“ Transportarbeiter streiken und sich Richtung Regierungspalast bewegen könnten, riegelt die Polizei das Stadtzentrum ab - strenge Kontrollen, wir müssen unsere Pässe zeigen. Polizei überall, teils mit Maschinenpistolen und Tränengasgewehren. Abends werden spontane Proteste gegen die Freilassung einer korrupten, ultrarechten Politikerin aus der Untersuchungshaft gewaltsam auseinandergetrieben. Die Polizei fackelt nicht lange und setzt brutal Schlagstöcke ein....

Lima Polizei1

 

Ein langer Spaziergang, eigentlich schon eine richtige Wanderung, führt uns durch verschiedene Stadtviertel bis zur Pazifik-Küste. An einer Ausfallstraße viele kleine und mittelgroßen Universitäten, alle privat und entsprechend teuer. Im Gegensatz zum lebensgefährlichen Verkehr im Zentrum rund um die Altstadt gibt es hier an einigen 4-spurigen Straßen gut abgegrenzte 2-spurige Fahrradwege in der Mitte, gesäumt von Allee-Bäumen, und mit Fahrradreparatur-Stationen. (Da könnte sich manche deutsche Großstadt eine Scheibe abschneiden...) Und ja, es existiert durchaus einiges an "Grün" in Lima - sofern es denn ständig bewässert wird. Nur 13 Millimeter Regen fallen durchschnittlich pro Jahr in dieser Wüstenstadt, in manchen Jahren auch gar nichts. Allerdings liegt die Betonung auf "durchschnittlich", siehe weiter unten.

Lima grün3

 Lima grün2 

 

Lima grün1

Die Freunde von CANTO VIVO erzählten uns heute von einer gigantischen Wasserkatastrophe, die Lima 2017 getroffen hatte. Sintflutartige Regenfälle führten zu riesigen Überschwemmungen und Erdrutschen. Die gesamte Kanalisation und die Trinkwasseraufbereitungsanlagen waren verstopft. Dazu kam eine starke Vergiftung der Wassermassen durch die mitgespülten Abfälle der Industrie- und Bergbaubetriebe. Drei Tage lang hatte die 10-Millionen-Metropole Lima keinerlei Leitungswasser mehr! Wir waren uns einig, dass die Häufung und Verstärkung solcher Extremwetterereignisse deutliche Vorboten einer heranrollenden globalen Umwelt- und Klimakatastrophe sind.

Lima 2017 Flut01

Lima 2017 Flut02

Lima 2017 Flut03

Heute waren wir schneller im Knast als erwartet. Warum?

Lima Baumpflanzaktion Prison04

CANTO VIVO hatte uns eingeladen, an einer Baumpflanzaktion in einem Jugendgefängnis von Lima teilzunehmen. 1200 männliche Jugendliche sitzen hier lange Strafen ab. Nach strenger Personenkontrolle betraten wir einen sehr großen Hof. Sportplatz, Schulgebäude, kleine Bäume und Grünstreifen, Wachpersonal.

Eine Gruppe von 17-18 jährigen Jungen mit ihren Lehrerinnen erwarteten uns. Sie wirkten trotz ihrer Jugend schon ein bisschen vom Leben gezeichnet. Einige waren sichtlich interessiert, andere eher nicht. Sie alle stammen aus armen, oft entwurzelten Familien.

Einführenden Worte, kurze Vorstellung von uns Umweltgewerkschaft-Besuchern, Fragen und Antworten, warum Bäume wichtig sind. Dann gings mit unseren drei mitgebrachten jungen Obstbäumen, Humus und organischem Dünger los ans Einpflanzen. Wir beteiligten uns an den kleinen Pflanzgruppen und kamen ein bisschen ins Gespräch. Besonders nett war Juan-Carlos, der nur so lossprudelte obwohl wir fast kein Wort verstanden. Er war sichtlich stolz auf die winzigen Pflanzen im liebevoll angelegten Wüstensand-Garten, die er pflegte.

Eine junge Aktivistin von CANTO VIVO führt seit zwei Jahren wöchentlich einen Umwelt-Workshop im Jugendgefängnis von Lima durch. Solche Baumplanzaktionen wie heute sind Teil davon.

Es geht um Sensibilisierung, Aufklärung und Bildung für und mit den jungen Straftätern. Sie haben teilweise kaum die Grundschule absolviert, und vor allem diejenigen, die aus der Großstadt stammen, haben meist keine Ahnung und kein Gefühl für Natur oder warum Umweltverschmutzung ein großes Problem ist – und wer dafür hauptverantwortlich ist.

CANTO VIVO  leistet eine geduldige Bewusstseins-Arbeit unter diesen Jugendlichen. Und auch das beteiligte Gefängnispersonal lernt dazu.

Am Schluss wurde gemeinsam der Slogan der Umweltgewerkschaft auf spanisch gerufen:
„Todos juntos salvemos la Tierra del colapso!“ - Gemeinsam die Erde vor dem Kollaps retten! Eine ungewöhnliche und beeindruckende Umweltarbeit haben wir da heute erlebt!

(hier einige Bilder, die der uns begleitende Wachmann gemacht hat; wir selbst durften nicht fotografieren. Die Gesichter der Jugendlichen sind unkenntlich gemacht)

 

Lima Baumpflanzaktion Prison02Lima Baumpflanzaktion Prison03Lima Baumpflanzaktion Prison01

 Anfang September begann in Peru ein landesweiter Streik der Bergarbeiter. Es geht um die Durchsetzung einheitlicher Tarife in allen Minen, gegen die Verschlechterung der Arbeitsgesetzgebung (Erleichterung von Entlassungen und Zeitarbeit), und auch um die Verbesserung des Umweltschutzes in den Minengebieten. Nach einigen Tagen und brutalen Polizeieinsätzen wurde der Streik Mitte September ausgesetzt. Gestern wurde er wieder aufgenommen. In Lima kommen etwa 400 Bergarbeiter verschiedener Belegschaften im Haus der Bergarbeiter („Casa de los Mineros“) zusammen, um die Situation zu beraten. Wir platzen mitten hinein in die laufende Versammlung.

Bergarbeiter Lima 06

Engagierte Redebeiträge, die Leute klatschen begeistert, geballte Fäuste. Viele Transparente der verschiedenen Minenbelegschaften, eine kämpferische Stimmung.

Bergarbeiter Lima 03

Jesús von CANTO VIVO macht uns mit einigen Arbeitern bekannt. Einer war auch auf der internationalen Bergarbeiterkonferenz in Indien 2018 und kennt Bergarbeiter aus Deutschland. Sie freuen sich sehr über unseren Solidaritätsbesuch. Natürlich können wir sprechen. Gernot betont in seiner kurzen Ansprache auf spanisch, dass Arbeiter- und Umweltbewegung zusammengehören:

.... muss heute jeder Streik auch die Umweltfrage mit einschließen. Was nützt uns ein Arbeitsplatz, wenn man im Land nicht mehr leben kann? Weil es wegen der Klimakrise zu heißt geworden ist? Oder weil es kein Wasser mehr gibt? Oder weil es vergiftet ist? Wir brauchen beides: Gut bezahlte Arbeitsplätze UND eine gesunde Umwelt, für uns und unsere Kinder! (...)   ...wir müssen uns mit der Umweltbewegung zusammenschließen, mit der Jugend, die für die Rettung des Planeten kämpfen will. Alle gemeinsam sind wir viel stärker als die Kapitalisten und ihre Regierungen! Alle gemeinsam können wir ein besseres Leben erkämpfen. Alle gemeinsam können wir die Erde vor dem Kollaps retten! Hoch die internationale Solidarität!”

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Großer Beifall, auch für unser spanischsprachiges Transparent der Umweltgewerkschaft. Einer wollte gleich seine Minero-Weste gegen eine Umweltgewerkschafts-Weste tauschen.

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Auf dem Hof ein ständiges Foto-shooting mit uns. Gefreut haben wir uns auch über die Frauen der Bergarbeiter, die mit eigenem Transparent gekommen waren. Schade, dass wir kaum Gelegenheit hatten, von ihren Erfahrungen zu hören. Eine junge Frau, Aktivistin einer sozialen Organisation zur Unterstützung der Bergleute, spricht uns an. Wie es der Zufall will: Sie hat in Berlin studiert und spricht gut deutsch. Sie interessiert sich sehr für die Arbeit der Umweltgewerkschaft, fragt nach dem Verhältnis zur IG Metall und meint, dass die Umweltfrage in den peruanischen Gewerkschaften noch viel wenig aufgegriffen wird. Wir tauschen unsere Nummern aus und wollen in Kontakt bleiben.

Bergarbeiter Lima 02

 Bergarbeiter Lima 01Bergarbeiter Lima 05

 

Schon gleich bei unserer Ankunft in Lima hatten wir erfahren: In Peru ist die Fridays-For-Future-Bewegung noch sehr schwach. Es gibt keine wöchentlichen Proteste. Es war eine junge Aktivistin von CANTO VIVO, die im Frühjahr die erste FFF-Protestversammlung in Lima hauptsächlich initiiert hatte - mit 1000 Teilnehmer*innen. Beim Klimastreik-Tag im September waren es rund 400, wie sie uns erzählte. Und heute... nur etwa 70 Leute kamen zur Protestversammlung zusammen! Erstaunlich in einer 10-Millionen-Metropole. Wir haben bisher noch nicht so richtig rausgekriegt, woran das liegt. Auch die Aktivist*innen stochern im Nebel: "Sehr viel Schulstress... autoritäre Lehrer und Eltern die das nicht erlauben....komplizierter Stadtverkehr..."

Nun, trotzdem war die kleine Protestaktion kämpferisch und lautstark mit unermüdlichen Sprechparolen, Alarm-Sirenen und engagierten Ansprachen.

Lima FFF 29.11.19 03 

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Die Aktion fand direkt vor dem riesigen dunkel verspiegelten "Glaspalast" des peruanischen Umweltministeriums statt. Nach einer guten Stunde, wir wollten gerade am Megaphon unseren vorbereiteten Redebeitrag beginnen, kam plötzlich Bewegung in die Leute. Alle strömten um eine Frau zusammen, die gerade über die Straße gekommen war: es war die peruanische Umweltministerin höchstpersönlich! Und sie fing auch gleich an mit den Umstehenden zu diskutieren - mit dem spanisch-englischen Flugblatt der Umweltgewerkschaft in den Händen! (Foto: im weißen Hemd)

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Einige junge Aktivisten gaben ihren ellenlangen Erklärungen Kontra, auch unser Freund Jesús von CANTO VIVO mischte sich energisch ein - siehe Foto. Leider haben wir den Inhalt der erregten Debatte mangels Sprachkenntnisse nicht genau verstanden. Es ging jedenfalls darum, dass die Umweltministerin die peruanische Umweltpolitik lobte und auf die viel größeren Klimasünder in Europa und Nordamerika verwies, während die Klimaaktivisten das BlaBla kritisierten.  Nach einer halben Stunde gab sie sichtlich genervt auf und zog ab.

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Wir konnten unseren Redebeitrag auf spanisch schließlich doch noch halten. Ein Student kam auf uns zu und lobte unser Flugblatt. Ob er noch einige haben könnte um sie an seiner Uni zu verteilen? Claro! Wir gaben ihm den restlichen Stapel mit und tauschten Adressen; er möchte unbedingt in Kontakt bleiben. 

Mit nachfolgendem Bild unseres kleinsten Umweltkämpfers heute senden wir herzliche Grüße aus Peru an alle Umweltgewerkschafter*innen und umweltbewegte Menschen in Deutschland und insbesondere an unsere UG-Delegation bei den COP25-Protesten in Madrid!  Todos juntos salvemos la Tierra del colapso!

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                    (Plakat-Text: "Deine Lebensweise löscht meine aus!!" )

 

Es hat tatsächlich geklappt: ein gemeinsamer Arbeitseinsatz an der Schule, die wir Anfang der Woche schon mal besucht hatten. (siehe Bericht Peru-02). Aus dem verwahrloste Baum-Garten sammelte eine Gruppe Schüler mit CANTO VIVO und uns mehrere Säcke Müll, harkte das Unkraut und wässerte die Bäumchen. Mit zwei Schülern kamen wir näher ins Gespräch.Sie wollen ein Team bilden, das zukünftig die Verantwortung für den Baum-Garten übernimmt. Ohne Begleitung wird das kaum dauerhaft funktionieren, das lehrt die Erfahrung. Zu groß sind die sozialen Probleme der Schüler in diesem armen Viertel, zu oft wechseln die Schüler, zu gering sind die Kapazitäten der Lehrerschaft.

Lima Baumgartenpflege 01

Lima Baumgartenpflege 02

Lima Baumgartenpflege 03

Lima Baumgartenpflege 04

Lima Baumgartenpflege 05

Lima Baumgartenpflege 06

Gegen Spätnachmittag dann mit dem Bus quer durch die Stadt zur Pazifik-Küste ins Geschäfts- und Touristenviertel "Miraflores". Welch ein Gegensatz zu den ärmeren und armen Stadtteilen, ganz zu schweigen von den Elendsvierteln an den äussersten Rändern des Stadtgebiets. Lima ist in den letzten zwei Jahrzehnten auf eine Nord-Süd-Ausdehnung von 60 Kilometern und Ost-West-Ausdehnung von 30 Kilometern angewachsen. Die Einheit von Mensch und Natur ist durch eine solche Megastadt schwer gestört, aber das Bewußtsein darüber ist noch wenig entwickelt. Die Arbeit von CANTO VIVO hat große Bedeutung, das wird uns mit jedem Tag mehr klar.

Lima Miraflores 02

Lima Miraflores 01

 

 

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